Dienstag, 28. April 2015

Ramses II. und sein Abu Simbel

Abu Simbel – eine Retortenstadt in der Wüste, militärisch kontrolliert durchwegs mit Charme à la Mallorca. Und ja, wir sind nun in Ägypten – ein ziemlich krasser Kulturschock. Mein Gefühl ist, dass wir uns mit dem Grenzübertritt der 1. Welt annähern...
Auf der Fähre wiedermal ein Riesenzüügs mit „No Photo“, dabei laden die Farben und Sujets schlichtweg nur ein. Junge Kerle in schnittigen Kampfanzügen sorgen für Ordnung.
Das Gebiet, wegen der Nähe zum Sudan und der nicht über alle Zweifel klaren Interpretation der Grenzlinie und Wassernutzung, ist ein Militärsperrgebiet – was mir ziemlich schräg vorkommt.
Touri-Setting neben Maschinengewehr, nach der kontemplativen Stimmung im Sudan find ich das grad ziemlich schräg.
Und dann noch die Souvenirverkäufer – ich bin grad nicht überzeugt, ob ich diesem Land noch eine Chance geben soll...
Änyhow, Abu Simbel war zur Zeit Ramses II. quasi die südliche Grenze des Pharaonenreiches in der Nähe des 2. Nil-Katarkts. Und dieser nicht ganz bescheidene Pharao baute mit den Tempelanlagen in Abu Simbel ein Zeichen der Macht zur Demonstration der ewigen Überlegenheit Ägyptens gegenüber dem tributpflichtigen Nubien.
Wir logieren im Eskaleh, einer Lodge im nubischen Stil – nach unseren vielen Tagen hardcore Camping schlichtweg das Paradies, ich staune immer wieder, wie glücklich mich so ein Hahn mit endlos Wasser machen kann... und dann erst noch das Stella Bier – das zwar, verglichen mit den übrigen bisherigen Gebräu’s auf der Reise, nur ein knapp genügend kriegt. Aber nach 11 Tagen Abstinenz frisst der Teufel Fliegen.
Das Eskaleh ist ein Bijou – toll gemacht, das Zimmer umwerfend und die vielen lauschigen Ecken zum Lesen und Verweilen einfach wunderbar. Vom Essen ganz zu schweigen...
Wir besichtigen am nächsten Morgen die beiden Tempel: Der grosse Tempel zum Ruhm Ramses’ II. und der kleinere Hathor-Tempel zur Erinnerung an Nefertari, dessen Grosse königliche Gemahlin. Und diese sind absolut sehenswert – meine Zweifel verfliegen wiedermal sehr schnell. Auch wenn sie nicht mehr am Originalplatz stehen, der unterdessen im Nassersee versenkt ist. Sie wurden beim Bau des Assuan-Staudammes in den Jahren 1963 bis 1968 abgetragen und in Blöcke zerlegt und etwa 180 Meter nordwestlich und 64 Meter über dem Niveau des alten Tempelareals wieder zusammengebaut – ein Monsterprojekt und wirklich gut gelungen. Die Anlage wirkt fast natürlich, mit dem grossen Parkplatz, den vielen Souvenirshops – und gähnender Leere.
Als wir kommen fahren grad die 3 Reisebusse ab, sie haben den kühlen Morgen zur Besichtigung genutzt. Und so kommt es, dass wir die Kunstwerke ganz für uns haben.
1813 wurden sie vom Schweizer Reisenden Jean Louis Burckhardt entdeckt, sie waren vom Sand zugeschüttet und sind erst seit 1909 völlig freigelegt.
Bei seiner Entdeckung war das Innere für ihn nicht zugänglich – und diese Räume sind beeindruckend. Szenen aus dem Leben des Pharao, seinen Gattinen, Freunden und Feinden sind gut erhalten und in einer wunderbaren Schönheit und der klaren Detailtreue zu bewundern.
Die Anlage diente insbesondere dem neuen Verständnis der Königsphilosophie von Ramses, der in seiner Eigenschaft als göttlich legitimierter Herrscher gleichberechtigt zu anderen Gottheiten angesehen werden wollte, was er mit den 4 etwa 21 Meter hohen Kolossalstatuen von sich selbst klar bezeugte.
Auf einmal wird die alte Geschichte, die mich früher zu Tode langweilte, lebendig und man kann sich einiges vorstellen, irgendwie auch die Vielzahl von Sklaven, die seinen Traum wahrmachten.
Abends erleben wir die monumentalen Bauten noch mit dem Sound&Light Spektakel, ein schrilles Relikt aus den 80ern, dass auch für 20 Personen aufgeführt wird – quasi unsere Privatvorstellung. Irgendwie tragisch, wie der Tourismus in Ägypten flachliegt – da läuft wirklich nicht mehr viel.
Ich hab sogar Mitgefühl mit den Souvenirverkäufern und verzeih ihnen fast, dass sie mich zum Wahnsinn treiben. What a crazy world denk ich mir da nur...

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