Montag, 23. März 2015

Top of Transafrica!

Mount Kenya, der zweithöchste Berg Afrikas ist weniger berühmt als der Kilimandscharo. Eigentlich falsch – der kleine Bruder hat’s in sich und kann sich durchaus sehen lassen... Genauer sind es einige Gipel im Verbund – die Grössten: der Batian, 5’199 m und der Nelion mit 5'188 m können nur von versierten Klettern erklommen werden – unser Ziel ist der Point Lenana 4'985 m hoch und für das gemeine Wandervolk einfach zu erreichen.
Kirinyaga nennen die Einheimischen Kikuyu, Kamba, Embu und Meru den Berg, was in etwa „leuchtender Berg“ bedeutet. Auf seinem Gipfel wohnt der Gott Ngai, glauben sie. Deshalb bauen die Kikuyu, die größte Ethnie Kenias, ihre Hütten traditionell so, dass der Eingang in seine Richtung zeigt.
Aber fangen wir vorne an – unsere Basis ist im Sportsman Arms Hotel in Nanyuki im  Nordwesten. Wir umrunden das Massiv gegen Osten über Meru und dort fahren wir in einen Verkehrsunfall rein, respektive kurz danach. Das Ganze ist in no time ein Spektakel und man weiss gar nicht, was man sich dazu denken soll – mit unseren Wertvorstellungen ist man grad überfordert.
Alles fährt oder besser rennt in die Nähe des Geschehens – 2 Lastwagen hängen im Abhang und einige andere Fahrzeuge sind involviert – man kann sich keinen Überblick verschaffen, die Menschenmenge bildet eine dichte Mauer. Polizei ist keine zu sehen, die Ambulanzen hört man zwar, aber ein Durchkommen ist auch für sie unmöglich. Selbstredend: von oben die pralle Sonne. Zusammenfassend: Chaos. Aber das werte ich wieder einmal aus meiner Perspektive – rund um unseren Minibus geht das Leben munter weiter.
Und so beschliesst man auch, nicht zu warten. Ein Bypass oberhalb der Stadt soll uns weiterbringen – ungeteerte Sandpiste, die Anwohner in ihren netten Häuschen mit Kaffeesträuchern davor staunen nicht schlecht, als ein Tross von Fahrzeugen ihr sonst wahrscheinlich verwaistes Strässchen überstrapaziert und nur noch eine nicht endende Sandwolke hinterlassen. Finally nichts gewonnen, endlich zurück auf dem angestammten Meru-Nairobi Highway nach unserer kleinen Odysee, stellen wir fest, dass der Bus (mit dem Stofftiger auf dem Dach), der vorher neben uns wartete, uns gerade überholt...
Die kleine Stadt, Chogoria auf gut 1'800 m, ist unser Zugang zum Berg – zum Gate auf 2'900 m sind es noch fast 2 Stunden und irgendwann dazwischen macht auch noch der Kühler schlapp.
Kein Problem, Wasser nachfüllen und warten – für die erste Etappe zum Chogoria Roadhead Camp auf 3'300 m brauchen wir nur knapp 2.5 Stunden. Trotzdem sind wir k.o. – und sind nach dem Essen bald im Zelt.
Am nächsten Morgen steigen wir in der Sonne langsam über die sanften Hänge hoch und sehen zum ersten Mal unser Ziel – den Point Lenana im Gebirgsmassiv. Der ehemalige Feuerberg soll einst viel höher gewesen sein, vielleicht 7000 Meter, bevor ihn Regen, Wind und Eis geschliffen haben.
Die harten Kerne der Lavaströme sind heute als turm- und pyramidenartige Gipfel erhalten. Darum herum ist eine riesige, sattgrüne Fläche, die sanft und mit grosser Weite abfällt und in die ostafrikanische Trockensavanne übergeht. Das Massiv ist etwa 90 km lang und 50 km breit – riesig. Zuoberst Schnee, wenig übriggebliebener Gletscher, viele Schluchten und Senken, Wasserfälle und Gebirgsseen, die sich in den ehemaligen Vulkankratern gebildet haben.
Wir steigen in ruhigen, sehr ruhigem Tempo hoch über einen Bergrücken, auf 4'200 m. Und wie man das richtig macht, um der Höhenkrankheit Stirn zu bieten, steigen wir für’s Nachtlager auf 4'000 m zum Lake Michalson ab.
Ein Bergsee, unvorstellbar schön, für uns ganz alleine, die Zelte unter den grossen Felswänden und davor der See. Und ja, auch auf dieser Höhe kann gebadet werden – komischerweise war es gar nicht so kalt. Die Nacht überrascht uns mit Regen – der nächste Morgen ist aber wieder so wie man es sich wünscht – stahlblau!
Der Aufstieg durch Büschel von gelbem Tussockgras führt uns auf eine Ebene voll mit Lobelien und Senezien, dazwischen ein paar Klippschliefer, die tropische Version des Murmeltiers.
Der höchste Punkt des 3. Tages ist 4'500 m – und wieder vernichten wir wertvolle Höhe, grmpf – zum Shiptons Camp auf 4'200 m. Ich habe Glück, ich spüre nichts von der Höhe, habe keine Beschwerden und schlafe mit einer Bettflasche tief und fest.
Irgendwann ist es 2.30 Uhr, als ein Träger durch die Zeltwand ruft: "Get up! Mein erster Gedanke ist, was tue ich da, in Zürich wär jetzt Blumenparty und die 2 Stunden Zeitdifferenz berücksichtigt, wäre grad der Auftakt zu einer heissen Nacht. Hier, alles andere als heiss – das Zeltdach vereist, über uns spannt sich ein unfassbarer Sternenhimmel, bis zum Horizont hinab glitzert es tausendfach.
Und so geht es kurz nach 3 los – mit langsamen, sehr langsamen, gleichmässigen Schritten geht’s hoch – im Dunkeln nur ein paar Stirnlampen. Der Rhythmus ist perfekt um sich tausend Gedanken zu machen, ziel- und sinnlos. Und ich brauche unendlich Geduld.
Es wird immer kälter – der Sonnenaufgang, resp. kurz davor ist wirklich der absolute Tiefpunkt. Doch zu diesem Zeitpunkt sind wir gut 100 m unter dem Gipfel – wir sind nicht die Ersten, eine Gruppe jung-knackig Trainierte hat uns überholt.
Egal... mit meiner Kili-Erfahrung reicht die Puste allemal bis oben und um 07.05 Uhr sind Baba und ich on the top, der schon wieder menschenleer ist. Kurz darauf ist unsere ganze Gruppe oben. Und das gute an knapp 5'000 m ist, man kann den Gipfel geniessen – die Freude ist riesig und das Gefühl absolut stimmig!
Über die Austrian Hut steigen wir zügig ab, Frühstück gibt es auf 4'300 m in der Naro Moru River Logde.
Die ganzen Tage sind wir mit einer grossen Mannschaft begleitet, Nik, unser Guide und 20 Porters sorgen perfekt für unser Wohl – wir tragen nur den Tagesrucksack mit dem Wichtigsten.
Es sind lustige Begegungen und sie haben sichtlich Freude an ihrem Job – und einen Transistorradio im Dauerbetrieb!
Wir sind eigentlich schon ausserhalb der Saison, eigentlich sollte die Regenzeit schon lange begonnen haben – ich habe, einmal mehr, nur „Schwein“. Das Wetter ist perfekt, die Kälte erträglich und die Sonne reichlich – erst beim Abstieg heute nachmittag sind wir in den Wolken.
Und dieser Abstieg zieht sich, schier endlos talauswärts und nochmals über 1'250 Höhenmeter runter. Im letzten Camp auf 3'050 m sind wir dann nur noch glücklich – die Müdigkeit spüren wir nicht mehr.
Um uns Affen und anderes Getier, sie wiegen uns mit einer tollen Geräuschkulisse in den Schlaf.
Der letzte Tag ist nur noch ein 2 stündiges Auslaufen zum Naromoru Gate auf 2'400 m – ich habe das Laufen für einige Tage satt...
Der Berg ist Hammer – die Landschaft atemberaubend schön. Und auch wenn er doch nicht so sexy ist wie der Kili – seine tiefere Höhe macht ihn klar empfehlenswerter. Doch Vergleiche sind nicht angebracht und völlig überflüssig – die beiden höchsten Berge Afrikas sind mehr als eine Reise wert ;-)

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