Montag, 26. Januar 2015

Cape Town

Die ersten Tage gelingen perfekt für die Eingewöhnung im afrikanischen Kontinent. Südafrika und Kapstadt im speziellen kann man ja auch nicht als sehr „afrikanisch“ bezeichnen...
Die grösste Herausforderung scheint für mich der Linksverkehr – für einen Mobility-Nutzer quasi the thrilling Experience. Aber für alle die jetzt meinen, ich hätte mich an dieser die Zähne ausgebissen... nein, papperlapap, 4 Tage kratzerlos, mit viel Berg-anfahren, schön seitwärtsparkieren und öfter Scheibenwischer als Blinker einschalten.
Was kann man über Kapstadt schreiben – mein letzter Besuch war irgendwann im letzten Jahrhundert, ich glaub es war November 1993. Vieles ist nun anders. Eine coole Stadt, die pulsiert und ihre bunt-gemischten Bewohner und Besucher perfekt verschmelzt – es scheint, hier hat es für jeden Platz. Mir ist viel Offenheit, Gelassenheit und echte Gastfreundschaft begegnet – ich hab mir gedacht, ein bisschen könnt ich für mich kopieren.
Einmal über Camps Bay, den Chapman’s Peak Drive rund um den Tafelberg gefahren – mit der drehenden Garaventa Bahn (wir Schweizer können das halt schon...) hochgefahren und einen perfekten Sunset  mit einem eindrücklichen Wolkenspiel genossen. Ich hab die Innenstadt abgeklappert, die Waterfront durchlaufen, die mit ihrem Kommerz irgendwie austauschbar wie überall ist. Ausser dass auch noch die Geschichte Südafrikas sehr präsent gemacht wird – Hafengeschichte, Schiffskatastrophen, die vielen Kriege zwischen den Briten, den Buren und natürlich den Ureinwohnern, Nelson Mandela und Robben Island. Auch hier können wir lernen... man stelle sich vor, im Sihlcity oder noch besser im Wiggispark würde mit ausgefeilter Dramatik das Schicksal von Anna Göldi gezeigt...
Abends bin ich auf den Lion’s Head hochgelaufen, das nette Wolkenspiel vom Vorabend war nun ganz anders... vom Meer her viel Nebelschwaden und mit einer am Parkplatz spontan zusammengewürfelten Gruppe waren wir überzeugt, dass on the top die Sonne scheinen müsse. Mit hoher Luftfeuchtigkeit aber viel Abstrahlungswärme von den Felsblöcken war die Aussicht zwar sehr beschränkt, aber die Erfahrung der Natur umso beeindruckender.
Sonntags ging ich zur Messe nach Langa, dem ältesten Township in Kapstadt und noch heute ist der Anteil an Weissen knapp bei 0%. Dank Hedwigs Tom-Tom fand ich die Kirche, die man nie und nimmer als eine solche Erkennen würde, fast problemlos – eine Wellblechhalle mit Plastikstühlen: Langa Baptist Church. Die mobiliarseitig sehr spartanische Einrichtung wurde aber mit der hippsten Multimediainstallation mehr als wettgemacht. Unzählige Boxen, 2 Grossleinwände, 3 Kamera (1 nach vorn, 2 ins Volk) – mit Standbildern, welche klare Botschaften im Corporate Identity rüberbrachten und das ganze auch in Nebenräume übertrugen, da die Haupthalle dem Ansturm nicht mehr genügen kann. Überzeugt hat mich der Claim der Kirche: "the church without limits".
Item, es ging nicht lange, war ich mit verschiedenen Leuten im Gespräch und man kümmerte sich rührend um mich. Gloria erklärte mir, dass es im hinteren Teil besser sei, warum konnte sie mir aber nicht so wirklich erklären. Es ist wie auf den grossen Bufta-Bufta-Parties, dort ist es immer wichtig im „richtigen“ Sektor zu stehen und die meisten meiner Freunde haben’s im Gespür im heissen Ecken zu stehen. Ich entschied mich dann mehr für Mitte, schliesslich gings ja um den Sunday Church Service quasi das Hochamt, der auf der Homepage als „the better glory“ angepriesen wird. Ich setzte mich ganz am Rand neben Bume (mit Frau und Sohn) und er nahm sich meiner an, erklärte mir dies und das und stellte mir dann die Lady of the House vor. Ein blendend schöne Dame in gelben Kleid, üppiger Schmuck, die Haare wunderbar hochgesteckt... Meine leicht verwirrte Nachfrage, wer das denn sei – schaute er mich mit grossen Augen an und sagte würdevoll: the wife of the priest. Momol chapeau, der hat Geschmack...
Überhaupt kam ich aus dem Staunen fast nicht mehr heraus, wie sexy aufgeprezelt alle Sisters und Brothers waren – unbeschreiblich, das muss man gesehen haben. Und das Beste waren immer die Schuhe... Nach diesen fast unverarbeitbaren Eindrücken begann dann der Service mit 10 Damen (die wieder im besten Sonntagsgewand schön um die Hüften gehüllt), die mit unter die Haut gehenenden Stimmen Gebete vorsangen, dass Whitney Houston nur die kleine Stieftochter hätte sein können. Nach den ersten paar Takten stand die ganze Halle, klatschte, wippte und legte sich voll ins Zeugs. Nach 1 Stunde kam der Pfarrer (the Husband of the Lady of the House...) und er hielt eine mitreissende Rede (die ging auch ne gute Stunde) – das Thema war ein Bibeltext von 2 Töchtern Lea und Rachel, die eine hässlich und die andere bildhübsch – und 7 Jahre warten dann kriegt man die Hübsche (well, ich glaub es verliert ein bisschen in der Übersetzung). Es ging um Geduld, Warten, Zeit haben, Respekt, Vertrauen, an sich Glauben, „you’re in the right place“ und das Beste fand ich: „face it, place it, trace it and allow the love of God“.
Die Rede war lang, aber nie langweilig und seine rethorische Fähigkeit ist nur beneidenswert und ich glaube er hat damit the Lady of the House’s Herz erobert...). Danach kamen wieder die Damen, die, das hätt ich vergessen von 5 Musikern begleitet werden, sprich grosses Orchester mit Klavier, Schlagzeug, Saxophon. Und auch hier – volle Professionalität. Beeindruckend war dann wie das Vater-unser, das Gegrüsst-seist-Du-Maria und andere Fürbitten mit groovigster Backgroundmusik im Jazz-Stil unterlegt sind und das mantramässige Runterbeten sehr lustvoll energetisch wird. Jeder der jemals in einer katholischen Kirche war, weiss was ich meine... Neben Sister und Brother ist ein weiteres Hauptwort „Halleluja“ – und das wieder mit wunderbarer Musik unterlegte Sing-along-Stück (ja, ich war textsicher) war das Highlight... Vom Konzept her war das Ganze ein bisschen wie eine Circuit-Party (wer war zuerst, das Huhn oder das Ei). Man unterlegt die Stimmung mit einem guten Beat, dann ein bisschen schöne Melodie darüber, die bestenfalls in der Psyche gute Erinnerungen hervorruft, scratcht den Ton immer wieder und treibt die Stimmung in die Höhe und dann, wenn man so richtig nach mehr lechzt, legt man darüber die Message – hier das Gebet, dort der Bufta, Bufta. Das Ergebnis scheint mir dasselbe – Happy faces allover, häppy, häppy. Ach ich könnte noch viel mehr schreiben, da ist soviel passiert, was mich nur beeindruckte.
Nach über zweieinhalb Stunden war die Zeremonie fertig und wenn ich hier wohnen würde, dann würde ich glaub Stammgast werden. Und wirklich, der Claim stimmt: without limits! Danke Hedy für den Tipp – jedem Kapstadt Besucher empfehle ich diese absolut bereichernde Erfahrung. Zur Beruhigung bin ich dann nochmals auf den Lion’s Head gestiegen, nicht ganz allein, es scheint das neue must-do zu sein, auch wenn man oben noch über Leitern und Ketten klettern muss. Die Aussicht macht sprachlos - heute mit Sonnenschein und viel Weitsicht!

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