Samstag, 11. April 2015

Lalibela

Lalibela – für jeden Äthiopier der Pilgerort, a must place. So auch für uns Touristen - wir verbringen das Osterweekend am Ort der vielen Felsenkirchen – unbekannt und fremd. Schon die Reise dorthin ist ein Erlebnis – der gemeine Tourist reist mit dem Flugzeug an. Wir naturellement per Dino – von Gondar her zieht es sich ungemein und mit unserer ausgedehnten Mittagsrast (mit dem obligaten Tomatensalat) sind wir far behind schedule. Nach gut 250 km geteerte „Chinese Road“ in Richtung Woldiya zweigt die Strasse in Gashena ab. Und obwohl die Piste nur 44 km lang sein soll - sie hat es in sich. Nach knapp der Hälfte fahren wir in schwarzer afrikanischer Nacht, vom Gefühl her komme ich mir vor wie Maria und Joseph auf dem Weg nach Bethlehem...
Die Strasse windet sich über zig Hügel rauf und runter – endlos bis, wie aus dem Nichts, das Städtchen Lalibela auftaucht.
Das ursprüngliche Roha verdankt seinen Namen dem König Lalibela, der die Kirchen während seiner 40 jährigen Regierungszeit im 12./13. Jahrhundert erbauen oder besser in das rote Tuffgestein hauen liess.
Die Legende besagt auch, dabei hätten nicht nur Menschen sondern auch Engel mitgewirkt, die in der Nacht weitergearbeitet haben und dabei die doppelte Arbeitsleistung erbracht hätten. Die 11 Felsenkirchen sind einmalig auf einem so engen Raum und nicht umsonst gehören sie zum  Unesco Weltkulturerbe.
Ungeklärt ist, wieso diese hohe Konzentration von Felsenkirchen in Lalibela ist – aber eine Überlieferung besagt, dass man hier das neue Jerusalem „nachbauen“ wollte, dass das „echte“ 1187 den Kreuzrittern entrissen wurde und so eine Pilgeralternative geschaffen werden sollte. Sogar der Fluss heiss Yordanos.
Wie auch immer – man kann die Kirchen aufzählen, beschreiben lässt sich der unglaubliche Eindruck kaum, den dieses Labyrinths aus Stein und Höhlen, Licht und Schatten, unförmigen Gängen und wunderbar klaren Formen hinterlässt, dazu noch mittelalterlich anmutende Priester mit ihren Kreuzen, verhutzelte Mönche, Pilger, Gläubige und neugierige Kinder. Lalibela muss man gesehen und erlebt haben – aber die Gefühle stellen sich bei mir nicht grad sofort ein...
Es ist Ostersamstag (der orthodoxe Kalender feiert das Fest eine Woche später als wir in Europa) und als erstes besuchen wir den Markt. Dieser ist – am letzten Tag der 55 tägigen Fastenzeit.
Diese wird strikt befolgt und sogar wir müssen uns seit unserer Einreise in Äthiopien oft darunter unterwerfen – es dürfen nur Mahlzeiten zu sich genommen werden, welche kein Fleisch, Ei oder Milchprodukte enthalten. Ich muss mir den Kommentar auf der Zunge verbeissen, dass das bei uns das quasi als der Vegane-Hip-Life-Style gepriesen wird...
However, man kauft auf diesem Markt nun ein Getier – je nach Budget Lamm, Geiss oder halt Huhn – der Punkt des Endes der Fastenzeit ist das Tagesthema auf dem Markt.
Und so ist ganz Lalibela mit Umland auf diesem Markt – Mensch und Getier. Für mich eine sehr spezielle Erfahrung, unten trockener Staub, rundherum reges Treiben nein vollends Dichtestress, wie ich ihn seit Monaten nicht mehr erlebt habe (und ich meine damit nicht das Züri-Tram...).
Trotz des vermeintlichen Chaos ist der Markt wohlgegliedert, animal, vegetables, spice, clothes und und und bis whatever section. Und trotz der Hitze sind irgendwie alle strahlend, wahrscheinlich voller Vorfreude auf das Festessen, die grosse Sause um morgens 3.
Auf dem Markt ist auch eine sehr qualifizierte Form des Bettelns en vogue, ganz nette Jungs, die English studieren, hängen sich einem Weissen an und erklären dann zuckersüssest und mit engelshafter Geduld, dass sie hier in Lalibela studieren und grosse Ziele im Leben hätten (meiner: Animal Doctor), sie führen einem durch den Markt und wollen immer einfach nur ihr English praktisch trainineren.
Bis dann zum Punkt, wo der innige Wunsch nach einem amarisch-englisch Dictionaire mit gut 440 Tausend Wörtli ausgesprochen wird, der dann für sie gekauft werden soll... - wenn die Geschichte wahr ist, dann gibt es in Lalibela a) wahnsinnig viele Schulen und b) noch viel mehr Wörterbücher...
Nachmittags tauchen wir in die erste Gruppe der Felsenkirchen, die westliche – ein Ensemble von 6 Kirchen, wobei die Kirchen viel schlichter sind als die üppig farbigen Rundkirchen.

Die Hauptkirchen sind die Bete Medhane Alem (Welterlöser) und die Bete Maryam (Marien), aber es wäre falsch die anderen abzuwerten. Die verzweigten Gänge – alle Kirchen sind über unterirdische Tunnels verbunden – sind für die technisch fast einer kleine Kletterpartie, da aber auch fast gar nichts den bfu-Normen entspricht.
Genau das macht es auch so faszinierend, keine Absperrungen, kein Haltegriffe – es ist fast wie in einem kindlich mystischen Suchgarten und man vergisst um ein Haar, dass man auf einem „aktiven“ Kirchengelände ist. Leicht abseits und freistehend ist die Bete Kiddus Georgiys – die bekannte Kirche des heiligen St. Georg – das Prunkstück der Felsenkirchen in der Form des griechischen Kreuzes aus dem Fels gehauen.

Der Abstieg in den Kirchhof geht über einen in den Fels getriebenen Gang und scheinbar sind die Hufspuren von König Lalibelas Pferd dort zu sehen – die Frage ist nur, wie das Pferd dann unten durch das kleine Steinloch kam...
Aber wir hören den ganzen Tag wunderbare Stories von unserem Führer – und irgendwann ist mein rationaler Widerstand gebrochen und ich tauche in die Geschichten ein und glaube sie schlussendlich bis auf’s letzte Wort.
Und wenn man bedenkt, dass diese Häuser aus dem Fels herausgeschlagen wurden in einer solchen Perfektion und Schönheit, dann kommt so ganz langsam die Begeisterung (die Osternacht hat dann noch die letzten Zweifel in den Wind geschlagen)...
Am nächsten Morgen besichtigen wir die östliche Gruppe.
Diese wurde als vermutlich vorher gebaut und diente anfänglich nicht als Kirchen, sondern war vermutlich der Sitz der Zagwe Könige.
Die Anlage ist mit Wassergraben und Zisternen schön versteckt im Gelände – nur die Schutzdächer der EU mit ihren filigranen Stützen stören das Bild und die Harmonie...
Mit dem Ende der Herrschaft der Zagwe um 1270 nutzten die Priester die leerstehenden Gebäude um. Auch diese 4 Kirchen machen sprachlos – die noch viel cooleren Höhlengänge, wovon einer nur in Dunkelheit begangen werden darf und die Legende besagt, wer das schafft, kommt in den Himmel – voilà...

Die Bet Emmanuel und die Bet Abba Libanons, die zweite ein halbmonolithischer Bau, dessen Dach noch mit dem Felsen verbunden sei. Hier die Geschichte, dass die Gattin von König Lalibela diese bauen lassen hätte, weil sie sich bitter über die Unlust und Müdikeit dessen beklagt hätte und ihn zu Unrecht, einer „ausserehelichen“ Affäre bezichtigte.
Sie wurde in einem Tag gebaut und die Engel hätten den Rest erledigt...
Lalibela ist – entgegen meinen Erwartungen zu Ostern nicht voll und überfüllt – wahrscheinlich erholen sich alle vom Fastenbrechen.
Wir beobachten die ruhige Sonntagnachmittag-Atmosphäre mit Bier in einer kleinen Bar – abends geniessen wir unser Osterdinner im Ben Abeba – einem genialen, dali-esken Restaurant erbaut von einer Schottin hoch über der Stadt mit wunderbarer Rundsicht auf die Bergwelt von Lasta und in wunderbar krass futuristischem Gegensatz zur alten Geschichte der Stadt.
Lalibela (in der Sprache der Agaw: „die Bienen verkünden sein Königtum“ aber das wär noch eine andere, wunderschöne Geschichte) und das Osterfest sind not-to-be-missed – ich will da nochmals hin!

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